8

 

Nikolai zog einen von Renatas Dolchen aus dem dicken Holzpfosten, in den sie ihn geworfen hatte. Er musste es ihr lassen, sie hatte voll ins Schwarze getroffen. Wäre der Pfosten ein Mensch mit den üblichen langsamen menschlichen Reflexen, hätte Renata ihn mit diesem Wurf aufgespießt. Er lachte leise darüber, als er den Dolch mit den drei anderen auf seine elegante Hülle zurücklegte. Es waren schöne Waffen, glänzend und perfekt ausgewogen, offenbar Handarbeit. Niko ließ seinen Blick über die gravierten Griffe aus Sterlingsilber gleiten.

Das verschnörkelte Muster schien aus Ranken und Blüten zu bestehen, aber als er genauer hinsah, bemerkte er, dass auf jeder der vier Klingen auch ein einzelnes Wort eingraviert war, sorgfältig eingearbeitet in ihr kunstvolles Muster: Glaube. Mut. Ehre. Opfer.

Der Ehrenkodex eines Kriegers?, fragte er sich. Oder waren das etwa Renatas persönliche Maximen?

Nikolai dachte daran, wie sie sich geküsst hatten. Nun, etwas einseitig war es schon gewesen, als er sich mit der Eleganz eines Güterzuges auf ihren Mund gestürzt hatte. Er hatte gar nicht vorgehabt, sie zu küssen. Ja, wem genau wollte er hier etwas vormachen? Er hätte nicht aufhören können, auch wenn er es versucht hätte. Nicht dass das eine Entschuldigung war. Und nicht dass Renata ihm eine Chance gegeben hätte, irgendwelche Entschuldigungen zu stammeln.

Immer noch konnte Niko das Entsetzen in ihren Augen sehen, die unerwartete, aber unverkennbare Abscheu über das, was er getan hatte. Immer noch spürte er, dass sie ihre Drohung, bevor sie aus dem Schuppen gerauscht war, völlig ernst gemeint hatte.

Der angeschlagene Teil seines Egos versuchte, ihn mit der Möglichkeit zu trösten, dass sie vielleicht generell nicht auf Männer stand. Oder dass sie vielleicht einfach so kalt war, wie Lex es von ihr zu denken schien, eine geschlechtslose, frigide Soldatin, die nur zufällig das Gesicht eines Engels und einen begehrenswerten Körper hatte, der einen an alle möglichen Sünden denken ließ, eine verlockender als die andere.

Was Frauen anging, besaß Nikolai einen unbekümmerten Charme; das war keine Prahlerei, sondern eine Erkenntnis, zu der er nach jahrelanger Erfahrung gelangt war. Er genoss leichte, unkomplizierte Eroberungen - je kürzer seine Affären waren, desto besser. Jagd und Kampf waren amüsant, aber die hob man sich lieber für den wirklichen Kampf auf, für blutige Schlachten mit den Rogues und anderen Feinden des Ordens. Das waren die Herausforderungen, die er am meisten genoss.

Warum kämpfte er also gerade gegen einen boshaften Drang an, Renata nachzugehen und zu sehen, ob er nicht etwas von dem Eispanzer abtauen konnte, der sie umgab?

Weil er ein Idiot war, darum. Ein Idiot mit einem tobenden Ständer, und anscheinend auch noch lebensmüde.

Zeit, sich wieder dem eigentlichen Problem zuzuwenden.

Was sein Körper ihm sagte, war nicht von Bedeutung - genauso wenig wie das, was er in Miras Augen gesehen hatte. Er hatte hier einen Job zu erledigen, eine Mission für den Orden, und das war der einzige Grund, warum er hier war.

Vorsichtig wickelte Niko Renatas Dolche in ihre Hülle aus Seide und Samt ein und legte das kleine Bündel auf den Strohballen, damit sie es fand, wenn sie zurückkam, um die Dolche und ihre Schuhe zu holen, die sie ebenfalls hiergelassen hatte.

Er verließ den Zwingerschuppen und ging in die Dunkelheit hinaus, um seine Durchsuchung des Grundstücks wieder aufzunehmen. Eine Mondsichel hing hoch oben im Nachthimmel, von dünnen, anthrazitgrauen Wolken verschleiert. Die warme Mitternachtsbrise strich leise durch die stacheligen Tannen und hohen Eichen der umgebenden Wälder. Viele Düfte mischten sich in dieser feuchten Sommerluft: das würzige Aroma von Kiefernharz, der modrige Geruch von beschatteter Erde und Moos, die mineralische Frische von frischem, plätscherndem Wasser aus einem Bach, der irgendwo durch das Grundstück floss, nicht weit von dort, wo Niko stand.

Nichts Unerwartetes. Nichts Außergewöhnliches.

Bis ...

Nikolai hob das Kinn und drehte den Kopf leicht nach Westen. Seine Sinne erfassten etwas äußerst Unerwartetes.

Etwas, das hier nicht hingehörte, nicht hingehören sollte. Es war Tod, den er roch.

Der Geruch war schwach, alt ... aber unverkennbar.

Er lief los, folgte seiner Nase tiefer in den Wald hinein. In einigen hundert Metern Entfernung vom Jagdhaus fiel der Boden abrupt ab. Niko blieb stehen, als er den Ort erreichte, und nun begannen seine Nasenlöcher von altem Verwesungsgestank zu brennen. Zu seinen Füßen fiel der von Laub und Ranken bedeckte Waldboden zu einer steilen Schlucht hin ab. Nikolai sah in die Spalte hinunter, und ihm wurde übel, noch bevor seine Augen das Gemetzel erfasst hatten.

 „Hölle noch mal", murmelte er leise. Die Schlucht war eine Todesgrube. Menschliche Skelette, Dutzende von unbestatteten Leichen, einfach wie Abfall übereinandergekippt und vergessen. So viele, dass es lange dauern würde, sie zu zählen. Erwachsene. Kinder. Ein Töten, das bei den Opfern keine Unterschiede machte, keine Gnade kannte und das das Werk von Jahren gewesen sein musste.

Der Knochenhaufen glänzte weiß im schwachen Mondlicht, ein verworrenes Durcheinander von Beinen und Armen. Schädel starrten zu ihm herauf, Münder klafften in schaurigen, stummen Schreien.

Nikolai hatte genug gesehen. Er trat von der Kante der Schlucht zurück und zischte wieder einen Fluch in die Dunkelheit. „Was zur Hölle war hier los?"

Aber sein Bauchgefühl sagte es ihm.

Himmel, da konnte es wenig Zweifel geben.

 Blutclub.

Eine schwarze Welle von Wut und Ekel brandete in ihm auf. Blutclubs waren illegal, und er hatte plötzlich den überwältigenden Drang, jeden einzelnen Vampir, der an diesem Massenmord beteiligt gewesen war, in Fetzen zu reißen. Nicht dass er das Recht dazu hatte, selbst als Ordenskrieger nicht. Er und seine Brüder hatten nicht viele Freunde bei den Verwaltungsinstitutionen des Stammes, am allerwenigsten bei der Agentur, der gesetzgebenden Instanz und Polizei der Vampirbevölkerung. Dort hielt man den Orden und die Krieger, die in ihm dienten, für eine dubiose Randgruppe der zivilisierten Gesellschaft, für eine Miliz, die Selbstjustiz betrieb. Sie galten als tollwütige Hunde, die förmlich darum bettelten, abgeschlachtet zu werden.

Nikolai wusste, dass er sich bei dieser Sache sehr weit vorwagte, aber das machte den Drang, persönlich für Gerechtigkeit zu sorgen, nicht weniger zwingend.

Obwohl er innerlich vor Empörung kochte, zwang sich Niko, sich zu beruhigen. Seine Wut würde keinem der Toten, die da unten verstreut lagen, mehr helfen. Für sie war es zu spät. Es gab nichts, was er für sie tun konnte, außer ihnen etwas Respekt zu erweisen - etwas, was man ihnen selbst nach ihrem Tod noch verweigert hatte.

Einen feierlichen Moment lang - wenn auch nur so lange, wie er für sein Vorhaben brauchte - kniete sich Nikolai neben den steilen Abhang der Schlucht. Er breitete die Arme weit aus und konzentrierte sich darauf, eine helle Kraft in seinem Inneren herbeizurufen. Diese Stammesgabe, die nur er allein besaß, war ihm sonst und besonders bei seiner Arbeit nur wenig von Nutzen. Er spürte, wie sich diese Kraft in seinem Inneren zusammenballte. Sie gewann an Macht und Licht, breitete sich in seinen Schultern aus und floss ihm die Arme hinunter, dann in seine Hände hinein, zwei Kugeln aus Licht, die mitten in seinen Handflächen unter der Haut glühten.

Nikolai legte die Finger neben sich auf die Erde.

Sofort begann es in den Kletterpflanzen und dornigen Zweigen um ihn herum zu rascheln. Grüne Triebe und kleine wilde Waldblumen erwachten auf seinen Ruf hin und wuchsen mit übernatürlicher Geschwindigkeit. Niko schickte die keimenden Sprossen in die Schlucht hinab und stand dann auf, um zuzusehen, wie die Toten schnell von einem Teppich aus zarten jungen Blättern und Blüten bedeckt wurden.

Als Bestattungsritual war das nicht viel, aber es war alles, was er diesen armen Seelen anzubieten hatte, die man dort unter freiem Himmel zum Verwesen liegen gelassen hatte.

„Ruht in Frieden", murmelte er.

Als auch der letzte Knochen bedeckt war, machte er sich zügig wieder zum Haus auf. Der Lagerschuppen, wo er vorhin schon Blut gerochen hatte, fiel ihm jetzt wieder ins Auge.

Nur um seinen Verdacht zu bestätigen, stapfte Niko hinüber, sprengte das Vorhängeschloss, stieß die Tür auf und sah hinein. Der Schuppen war leer, genau wie Lex ihm gesagt hatte. Aber die Stahlgitter, die man dort eingebaut hatte, waren nicht für längerfristige Lagerzwecke konstruiert. Es waren hohe, vergitterte Käfige, abschließbare Zellen, die nur einem einzigen Zweck dienten - vorübergehend menschliche Gefangene aufzunehmen.

Lebendes Wild, das freigelassen wurde, damit Sergej Jakut hier in diesen abgelegenen Wäldern seinem illegalen Sport frönen konnte.

Mit einem Knurren verließ Nikolai den Schuppen und stapfte zum Haus hinüber.

„Wo ist er?", fragte er den bewaffneten Wächter, der prompt in Kampfhaltung ging, als er zur Tür hereinstürmte.

„Wo zur Hölle ist er? Sag es mir!"

Er wartete die Antwort nicht ab, denn vor einer geschlossenen Tür, die von der großen Halle abging, waren zwei weitere Wachen postiert. Auch sie gingen sofort in Kampfhaltung. Hinter ihnen mussten Jakuts Privaträume liegen.

Nikolai stürmte hinüber und stieß einen der hirnlosen Muskelprotze aus dem Weg. Der andere riss sein Maschinengewehr hoch und zielte auf ihn. Niko schlug ihm die Waffe ins Gesicht und warf den verdutzten Vampir gegen die nächste Wand.

Er trat die Tür ein, zersplitterte den alten, hölzernen Türrahmen und brach die alten, eisernen Scharniere sauber aus den Angeln. Durch den Trümmerregen schritt Nikolai voran und ignorierte die Rufe von Jakuts Männern. Er fand den Gen Eins halb nackt auf einem Ledersofa, wo er besitzergreifend über der entblößten Kehle einer dunkelhaarigen Frau hing, die in seinen Armen gefangen war.

Bei der plötzlichen Störung hob Jakut den Kopf von seiner Mahlzeit und sah auf. So wie auch seine Blutwirtin.

 Renata.

Das konnte doch wohl nicht wahr sein.

Sie war in einer Blutsverbindung? Die Stammesgefährtin dieses Monsters?

All die wütenden Anschuldigungen, die Nikolai Sergej Jakut entgegenschleudern wollte, blieben ihm im Hals stecken. Er konnte nur noch starren, seine Vampirsinne gerieten vom Anblick des Blutes der jungen Frau auf Jakuts Lippen, das von seinen riesigen Fängen tropfte, noch mehr in Aufruhr. Der Duft verbreitete sich im Raum und explodierte in Nikos Gehirn. Einen so seltsamen Kontrast zu ihrem frostigen Verhalten hätte er nicht erwartet, denn ihr Blut roch nach einer warmen, berauschenden Mischung von Sandelholz und frischem Frühlingsregen. Weich, weiblich.

Erregend.

Hunger flammte in Nikolai auf, die Reaktion seiner Instinkte, gegen die er verdammt hart ankämpfen musste.

Er sagte sich, dass es einfach seine Stammesnatur war, die da erwachte, schließlich konnten nur wenige seiner Art dem Sirenengesang einer offenen Vene widerstehen. Aber als seine Augen über den Raum hinweg Renatas unverwandten Blick trafen, loderte eine neue Hitze in ihm auf, die sogar noch stärker war als der primitive Durst nach Nahrung.

Er wollte sie.

Selbst wenn sie unter einem anderen Mann lag, ihm erlaubte, von ihr zu trinken, hungerte Nikolai mit einer Wildheit nach ihr, die ihn erschreckte. Auch wenn sie sich durch ihr Blut mit einem anderen verbunden hatte - Niko brannte darauf, sie zu besitzen. Was bedeutete, dass er selbst nach seinem eigenen dehnbaren Ehrenkodex so tief gesunken war, dass nicht mehr viel Unterschied bestand zwischen ihm und dem abscheulichen Jakut.

Niko musste diese beunruhigende Erkenntnis abschütteln, um sich wieder auf die Situation konzentrieren zu können.

„Du hast ein ernsthaftes Problem", sagte er zu dem Gen Eins-Vampir, kaum fähig, seine Verachtung zu verbergen.

„Ich schätze, du hast etwa drei Dutzend Probleme, die da draußen in deinen Wäldern verrotten."

Jakut sagte nichts, aber der Glanz seiner transformierten bernsteinfarbenen Augen verfinsterte sich trotzig. Ein tiefes Knurren entfuhr ihm, bevor er seinen Kopf wieder seiner unterbrochenen Mahlzeit zuwandte. Jakuts Zunge glitt zwischen seinen Lippen hervor, leckte an den punktförmigen Bisswunden in Renatas Hals und versiegelte sie.

Erst nachdem Jakuts Zunge über ihre Haut geglitten war, wandte Renata den Blick von Niko ab. In den Sekunden, bevor Jakut aufstand und sie freigab, dachte er, dass er einen flüchtigen Ausdruck stiller Resignation über ihr Gesicht hatte huschen sehen. Sobald sie frei war, ging Renata in eine Zimmerecke und zupfte ihr enges T-Shirt zurecht, bis es wieder halbwegs ordentlich wirkte. Sie trug immer noch dieselben Sachen wie vorhin, war immer noch barfuß, so wie sie es draußen gewesen war.

Sie musste direkt hierhergekommen sein, nachdem das zwischen Niko und ihr passiert war.

War sie zu Jakut gerannt, damit er sie beschützte? Oder weil sie einfach nur Trost suchte?

 Himmel noch mal.

Niko kam sich nun wie ein noch größerer Idiot vor, wenn er daran dachte, wie er sie geküsst hatte. Wenn sie eine Blutverbindung mit Sergej Jakut eingegangen war, war dieser Bund heilig, intim ... und monogam. Kein Wunder, dass sie so reagiert hatte. Von Nikolai geküsst zu werden, war Beleidigung und Entwürdigung zugleich. Aber er war jetzt nicht hier, um sich zu entschuldigen - weder bei Renata noch bei ihrem offensichtlichen Gefährten.

Nikolai warf dem Vampir einen harten Blick zu. „Seit wann machst du schon Jagd auf Menschen, Jakut?"

Der Gen Eins stieß ein Grunzen aus und lächelte. „Ich habe die Käfige im Schuppen gesehen. Ich habe die Leichen gefunden. Männer, Frauen ... Kinder." Nikolai zischte einen Fluch, unfähig, seine Abscheu zu verbergen. „Du hast einen gottverdammten Blutclub hier draußen. So wie es aussieht, machst du das schon seit Jahren."

„Na und?", fragte Jakut unbekümmert. Er machte sich nicht einmal die Mühe, es abzustreiten.

Und in der Ecke des Raumes blieb Renata stumm, ihre Augen wie gebannt auf Niko gerichtet, aber sie zeigte keinerlei Entsetzen.

 Oh, Herr im Himmel. Also hat sie auch davon gewusst.

  „Du kranker Scheißkerl", sagte er und sah nun wieder zu Jakut. „Ihr seid doch alle krank. Ihr werdet nicht damit weitermachen. Das hört hier und jetzt auf. Es gibt Gesetze . ."

Der Gen Eins lachte, die Stimme verzerrt von der Umformung zu seiner wilderen Seite. „Ich bin hier das Gesetz, Junge. Niemand, nicht die Dunklen Häfen und ihre viel gepriesene Agentur - nicht einmal der Orden -, hat in meinen Angelegenheiten irgendetwas zu sagen. Wer hierherkommen und mich eines Besseren belehren will, ist herzlich eingeladen, es zu versuchen."

Die Drohung war klar. Auch wenn Nikos Ehrgefühl und Gerechtigkeitssinn ihn anschrien, sich mit fliegenden Waffen auf den selbstzufriedenen Dreckskerl zu stürzen und ihn umzubringen, er war kein gewöhnlicher Vampir.

Sergej Jakut war Gen Eins. Er verfügte nicht nur über Kräfte, die die von Niko oder jedem anderen Stammesvampir der nachgeborenen Generationen weit überstiegen, sondern war auch ein seltenes Exemplar seiner Art. Es gab nur noch wenige Gen Eins - noch weniger seit der Mordserie der letzten Zeit.

So abscheulich die von der Stammesgesellschaft geächtete Praxis der Blutclubs auch war, der Versuch, einen Vampir der Ersten Generation zu töten, war ein noch größeres Vergehen. Gegen den Mistkerl waren Nikolai die Hände gebunden, so sehr er sich auch wünschte, dass es anders wäre.

Und das wusste auch Jakut. Er wischte sich mit dem Saum seiner dunklen Tunika, an dem noch Renatas süß duftendes Blut klebte, über den Mund.

„Die Jagd liegt uns im Blut, Junge." Jakuts Stimme war tödlich ruhig, als er vollkommen selbstsicher auf Nikolai zuging. „Du bist jung, von schwächerem Holz als einige von uns. Vielleicht ist dein Blut schon so von Menschlichkeit verwässert, dass du diesen Trieb in seiner reinsten Form gar nicht mehr begreifen kannst. Vielleicht würdest du nach einer Kostprobe bei der Jagd weniger scheinheilig urteilen über diejenigen von uns, die ein Leben vorziehen, wie es unserer wahren Natur entspricht."

Niko schüttelte langsam den Kopf. „Bei den Blutclubs geht es nicht um die Jagd, sondern um sinnloses Gemetzel. Erzähl diesen Blödsinn wem du willst, davon wird er nicht wahrer.

Du bist ein Tier. Was du wirklich brauchst, ist ein Maulkorb und ein Würgehalsband. Jemand  muss  deinen  Machenschaften einen Riegel vorschieben."

„Und du denkst, dass du oder der Orden dieser Aufgabe gewachsen seid?"

„Denkst du, wir sind es nicht?", forderte Niko ihn heraus.

Ein waghalsiger Teil seiner selbst hoffte, der Gen Eins würde ihm einen Grund liefern, seine Waffen zu ziehen. Er rechnete  zwar  nicht  damit, dass er aus einem Zusammenstoß mit dem älteren Vampir lebend herauskäme, aber verdammt noch mal, er würde ihm einen höllischen Kampf liefern.

Stattdessen wich Jakut zurück, die bernsteingelben Augen blitzten, die Pupillen winzige schwarze Splitter. Er hob sein bärtiges Kinn, legte den Kopf bedeutsam zur Seite und bleckte die Fangzähne zu einem wilden Grinsen. So war es überhaupt nicht schwer, die außerirdische Seite an ihm zu sehen - die Seite, die ihn und den Rest des Stammes zu dem machte, was sie waren: bluttrinkende Raubtiere, die nicht zu den sterblichen Menschen und ihrer Welt gehörten.

„Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du in meinem Haus nicht willkommen bist, Krieger. Ich habe keine Verwendung für dich oder für das Bündnis mit dem Orden, das du mir vorgeschlagen hast. Meine Geduld ist zu Ende und auch dein Aufenthalt hier."

„Allerdings", stimmte Niko ihm zu. „Ich verschwinde mit Vergnügen von hier. Aber denk nicht, dass du zum letzten Mal von mir gehört hast."

Während er das sagte, musste er wieder zu Renata hinübersehen. So tief er Jakut auch verachtete, konnte er für sie doch nicht die gleiche Wut aufbringen. Er wartete darauf, dass sie ihm sagte, dass sie von den Verbrechen nichts wusste, die auf diesem blutgetränkten Flecken Erde stattgefunden hatten. Er wollte, dass sie ihm das sagte - oder was auch immer, um ihn zu überzeugen, dass sie keine Mitwisserin von Jakuts kranken Praktiken war.

Sie starrte lediglich zurück, die Arme vor der Brust verschränkt. Dann hob sie eine Hand, um nachlässig die heilende Wunde an ihrem Hals zu befingern, aber sie blieb stumm.

Sie sah ihm nach, wie er aus der offenen Tür stapfte, an Jakuts verdutzten Wachen vorbei.

„Gebt dem Krieger seine Sachen zurück und seht zu, dass er das Grundstück ohne weitere Zwischenfälle verlässt", wies Jakut die beiden bewaffneten Männer vor seinem Privatgemach an.

Als sie sich in Bewegung setzten, um den Befehl auszuführen, machte Renata Anstalten, ihnen zu folgen.

Insgeheim hoffte sie, dass sie noch einmal unter vier Augen mit Nikolai reden konnte und ...

 Und was?

Ihm die Wahrheit erklären, wie die Dinge hier für sie liefen? Versuchen, die Entscheidungen zu rechtfertigen, zu denen man sie gezwungen hatte?

Wozu?

Nikolai ging. Er würde nie wieder an diesen Ort zurückkehren müssen, während sie bis zu ihrem letzten Atemzug hier sein würde. Was würde es schon bringen, ihm irgendetwas zu erklären, einem Fremden, der es wahrscheinlich nicht verstehen würde und dem es sicherlich egal war?

Und dennoch hielten Renatas Füße nicht an.

Sie kam nicht einmal bis zur Tür. Jakuts Hand schloss sich wie eine Schraubzwinge um ihr Handgelenk und hielt sie zurück.

„Du nicht, Renata. Du bleibst."

Sie sah ihn an und hoffte inständig, dass nichts von der Übelkeit in ihrem Blick zu lesen war, die sie so mühsam niederkämpfte. „Ich dachte, wir wären hier fertig. Ich dachte, vielleicht sollte ich mit den anderen gehen, nur um sicherzustellen, dass der Krieger bei seinem Weg vom Grundstück nicht auf dumme Gedanken kommt."

„Du bleibst hier." Angesichts von Jakuts Lächeln gefror ihr das Blut in den Adern. „Vorsicht, Renata. Ich möchte auch nicht, dass du auf dumme Gedanken kommst."

Sie schluckte an dem Kloß kalten Unbehagens, der ihr plötzlich im Hals saß. „Bitte?"

„Es wird dir leidtun", antwortete er, und sein Griff auf ihrem Arm verstärkte sich. „Deine Gefühle verraten dich, meine Schöne. Ich kann die Beschleunigung deiner Herzfrequenz spüren, den Adrenalinstoß, der dir durch die Adern jagt, selbst jetzt noch. Ich habe die Veränderung in dir gespürt von dem Moment an, als der Krieger eben den Raum betreten hat, und auch schon früher. Würdest du mir sagen, wo du heute Nacht gewesen bist?"

„Beim Training", erwiderte sie, schnell, aber bestimmt.

Sie durfte ihm keinen Anlass geben, an ihr zu zweifeln, und im Grunde war es ja die Wahrheit. „Bevor du Lex geschickt hast, mich zu rufen, war ich draußen und habe im alten Zwinger meine Trainingseinheiten gemacht. Es war ein anstrengendes Training. Wenn du irgendetwas an mir gespürt hast, dann kam es wohl daher."

Ein langes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, und immer noch blieb der harte Griff um ihr Handgelenk.

„Du weißt, wie wichtig mir deine Loyalität ist, nicht wahr, Renata?"

Sie schaffte es, kurz zu nicken.

„So wichtig wie dir das Leben dieses Kindes, das drüben in seinem Zimmer schläft", sagte, er kalt. „Ich denke, es würde dich kaputt machen, wenn sie auf der Knochenhalde enden sollte."

Bei dieser Drohung gefror Renata das Blut in den Adern.

Sie sah auf und starrte in die bösen Augen eines Monsters - das sie nun voll perversem Vergnügen angrinste.

„Wie ich schon sagte, liebe Renata: Wage dich nicht zu weit vor."

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